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Sportstunde - Interviews in voller Länge

Sportstunde – Interview komplett Karsten Seehafer – Wasserball: Von Pokalsiegen, Olympia-Träumen und der Zukunft des Sports

Karsten Seehafer ist im Vorstand vom neuen Wasserball-Pokalsieger Waspo 98 Hannover. Und nicht nur das, er ist auch Trainer der Wasserball-Nationalmannschaft der Frauen. Vor ein paar Wochen fand das Pokal-Final Four in der Schöneberger Schwimmhalle statt. Die Männer aus Hannover holten den Pokal, die Frauen unterlagen im Finale. Im exklusiven Interview erzählt der Wasserball-Experte über die Feierlichkeiten nach dem Pokalsieg, über das Image dieser Sportart, die Qualität des deutschen Wasserballs. Dazu wagt er einen Blick in die Zukunft Richtung Olympia 2028. Es fehlt auch nicht seine sportpolitische Meinung und ob es denn in Deutschland einen Sportminister bräuchte.

Key takeaways

  • Waspo 98 Hannover dominiert den deutschen Wasserball mit sieben Pokalsiegen seit 2017, aber die Konkurrenz im Land ist begrenzt.
  • Die Jugendarbeit im deutschen Wasserball ist rückläufig, was zusammen mit mangelnder medialer Präsenz eine große Herausforderung für die Zukunft des Sports darstellt.
  • Finanzielle Schwierigkeiten und fehlende Sponsoren belasten den Wasserball als Randsportart erheblich.
  • Seehafer sieht die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles als großes Ziel, besonders für die Frauenmannschaft.
  • Es gibt eine deutliche Kritik an der mangelnden Wertschätzung und Unterstützung für Leistungssportler in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern.

Waspo 98 Hannover: Routine statt ausgelassener Partys

Karsten Seehafer, Trainer der deutschen Frauen-Wasserball-Nationalmannschaft und Vorstand des Rekord-Pokalsiegers Waspo 98 Hannover, blickt auf sieben Titel seit 2017 zurück. Die Feierkultur hat sich gewandelt: „Früher ging der Vereinspräsident nach Berliner Siegen erstmal in eine Kneipe – heute ist es ruhiger, fast schon Routine“, erklärt er. Dennoch bleibt der Stolz auf das Team, das trotz einer Zwangspause durch Ludwigsburgs Rückzug die Titelverteidigung als Priorität sieht.

Spandau vs. Hannover: Legenden-Duelle und Nachwuchssorgen

Die Rivalität mit Spandau treibt beide Teams zu Höchstleistungen, doch Seehafer kritisiert die schwindende Konkurrenz: „Nur vier bis fünf Mannschaften spielen auf Top-Niveau.“ Die Jugendarbeit sei vielerorts eingebrochen, besonders in NRW, wo die Zahl der Vereine halbiert wurde. Sein Lösungsansatz: Mehr mediale Präsenz durch Streaming und unterhaltsame Formate wie die Pokalendrunden.

Frauenwasserball: Jugend trifft auf Herausforderungen

Die Frauenmannschaft von Waspo 98 sorgte mit einem Altersdurchschnitt unter 18 Jahren für eine Überraschung im Pokalfinale. „Kontinuität ist alles“, betont Seehafer. Doch der Übergang ins Erwachsenenleben sei kritisch: „Wenn die Schule endet, brechen viele Spielerinnen ab.“ Trotzdem sieht er Potenzial – vor allem für die Olympia-Qualifikation 2028.

Finanzierung: Der Kampf um jeden Euro

Wasserball bleibt eine kostspielige Randsportart: Reisen, Streamingkosten und begrenzte Wasserflächen belasten die Vereine. Seehafer wünscht sich mehr Sponsoren und kritisiert die mangelnde Wertschätzung: „Olympiasieger erhalten in Italien 100.000 Euro – bei uns fehlt selbst eine Stelle im öffentlichen Dienst.“

Olympia 2028: Der Traum von Los Angeles

Für Seehafer sind die Olympischen Spiele das „nonplusultra“ im Leistungssport. Er hofft, dass mindestens eine deutsche Mannschaft – idealerweise die Frauen – sich qualifiziert: „Wer nicht davon träumt, gehört nicht in den Leistungssport.“

Männer vs. Frauen: Taktik vs. Kraft

Als Coach beider Teams kennt er die Unterschiede: Bei Männern dominiere „brachiale Kraft“, während Frauen mehr auf Technik und Taktik setzen. Der Umgangston sei zudem ein anderer: „Bei Frauen passe ich mehr auf, nicht zu derb zu werden.“

Sportpolitik: „Der Staat lässt uns im Stich“

Seehafer fordert mehr Unterstützung für Randsportarten: „Wir investieren in Beton, nicht in Menschen.“ Ein Sportminister? „Wichtig sind Taten, nicht Titel.“ Sein Appell: „Wasserball ist gesund, sozial und ästhetisch – doch ohne Medien und Jugendförderung stirbt er.“

 

Das komplette Interview mit Karsten Seehafer

Im Originalton geben wir hier das komplette Interview mit Karsten Seehafer wieder – von Pokalfeiern bis zur Zukunftsvision, von der Kritik an der Sportpolitik bis zur Hoffnung auf Olympia 2028 :

SPORTSTUNDE: Wie feiern Wasserballer einen Pokalsieg? Vor allem, wenn es ja eigentlich schon fast Routine ist, denn seit 2017 hat Waspo 98 Hannover zum siebten Mal den Pokal geholt.

KARSTEN SEEHAFER: Das haben wir auch gesagt, völlig unterschiedlich mittlerweile.

Also zu Zeiten, als ich Trainer war, wenn wir in Berlin gespielt haben,  dann haben wir nach dem Spiel meinen Vereinspräsidenten gar nicht gesehen. Er ist immer um die Ecke in so eine legendäre Berliner Kneipe gegangen und musste erst mal runterkommen. Nicht, dass er irgendwie noch Konfrontationen mit Schiedsrichtern oder Offiziellen haben wollte, bevor er den ersten Pokalsieg ausschweifend feierte. Und wie du sagst, wenn es zur Routine wird, dann ist man ein bisschen ruhiger. Ich sage mal, sie waren nicht exzessiv betrunken, weil sie dann wieder zurückgefahren sind nach Hannover. Dann haben sie dort ein bisschen Party gemacht, aber ich denke mal, das war eher eine stille Feier.

SPORTSTUNDE: Eine Berliner Weiße vielleicht? Die Wasserballer sind Biertrinker, glaube ich.

KARSTEN SEEHAFER: Ja, sie schlucken nicht so viel Wasser, trinken dann lieber Bier.

SPORTSTUNDE: Mittlerweile seid ihr die Nummer eins im Wasserball in Deutschland. Pusht das, weil die beiden stärksten Teams aus Hannover und Spandau sich zu Höchstleistungen bringen oder ist es mittlerweile auch langweilig?

KARSTEN SEEHAFER: Sowohl als auch. Also Spiele gegen Spandau sind legendär, haben das beste Niveau im Augenblick, was es in Deutschland gibt. In der Hinsicht, dass es zu wenig Mannschaften gibt, die auf dem Niveau in Deutschland arbeiten. Und von daher hat man in Deutschland im Augenblick so vier, fünf Mannschaften, die untereinander Spiele absolvieren, die dann interessant sind, wenn dann auch alle motiviert sind.

SPORTSTUNDE: Wie war es denn für dich? Du hast ja vorher unfassbar viele Titel als Trainer für Waspo Hannover  geholt. Diesmal hast du es mehr oder weniger von der Tribüne aus erlebt. Dein Nachfolger, Alexander Radović,  hat seinen ersten Titel, geholt. Wie hast du das für dich so empfunden?

KARSTEN SEEHAFER: Ich habe mich wahnsinnig gefreut. Erstmal für Sascha, also für Alexander Radović als Person, weil er einfach gute Arbeit gemacht hat, sehr gute Arbeit im Augenblick macht. Das kommt bei der Mannschaft gut an Und nach der langen Zeit, die ich das gemacht habe, ist das, glaube ich, auch frisches Blut anderer Altersgenerationen sehr toll gewesen. Und ich freue mich einfach für ihn. Ich freue mich für die Mannschaft. Und am Ende freue ich mich auch für meinen Präsidenten. Denn du hast es am Anfang erwähnt, die Frauen sind überraschend erstmal überhaupt zur Pokalendrunde gekommen, sind dann zudem überraschend ins Finale gekommen. Und mit dem Altersdurchschnitt, Der liegt, ich glaube, weit unter 18 Jahren, also eine ganz junge Mannschaft, quasi eine Jugendmannschaft, die dort spielte, sensationell.

Also von daher, für Waspo 98 Hannover war das ein Wochenende, wie es selten gegeben hat, vielleicht noch nie. Das gibt Rückenwind auch für den Liga-Alltag.

SPORTSTUNDE: In der Liga sind die Männer eigentlich schon im Halbfinale, weil Ludwigsburg zurückgezogen hat. Fluch oder Segen? Weil ihr dann ja Pause habt und ein bisschen den Rhythmus verliert.

KARSTEN SEEHAFER: Ein bisschen Fluch im Augenblick. Dazwischen liegt zwar noch der World Cup, wo die Nationalmannschaft spielt und die letzte Möglichkeit, sich für die Weltmeisterschaft in Singapur zu qualifizieren. Das heißt, wir verlieren dort mit Ostern auch nochmal zwei, drei Wochen. Das heißt, wir sind jetzt eigentlich erst wieder in sechs Wochen im Einsatz. Das ist für die Mannschaft nicht einfach und ist im Prinzip fast ein komplett neuer Trainingszyklus, den sie dann bestreiten müssen und dann geht alles von Null noch mal los.

SPORTSTUNDE: Nichtsdestotrotz ganz oben als Priorität eins: Titelverteidigung.

KARSTEN SEEHAFER: Ja, ich denke die Mannschaft hat sich sehr stark entwickelt.

Wir haben das Eröffnungsspiel um den Supercup Anfang der Saison in Magdeburg knapp verloren. Die Mannschaft hat sich dann über die Champions League und den Europacup in Form gebracht, gut gearbeitet. Sie ist fit und im Augenblick, würde ich sagen, die am besten trainierte Mannschaft in Deutschland. Da stimmt die Moral, die Chemie stimmt im Augenblick, also da haben wir als Verein und die Trainer und die Mannschaft an sich auch eine Menge richtig gemacht in diesem Jahr bisher.

SPORTSTUNDE: Kommen wir kurz zu den Frauen. Du sagst auch, trotz Final-Niederlage, trotzdem war es ein super Pokal-Wochenende. Wie ist da die Zielsetzung im Alltag?

KARSTEN SEEHAFER: Ich denke, dass der Frauenwasserball mit der Situation in Berlin im Augenblick in Deutschland einzigartig ist. Das ist ein hohes internationales Niveau in Spandau. Die haben Möglichkeiten im Eurocup zu spielen oder vielleicht sogar in der Champions League. Das gelingt den anderen Mannschaften nicht. Ich glaube, Hannover braucht Kontinuität. Hannover braucht Wasserfläche und am Ende ist es so, dass wir viele junge Mannschaften haben. Die Spielerinnen machen das mit viel Engagement. Aber am Ende ist es wichtig, dass wir dabei bleiben. Das sind junge Frauen jetzt, viele noch gar nicht volljährig. Da ist eine Zukunft gestaltbar. Aber nur wenn sie dabei bleiben. Und das ist bei Frauen so ein bisschen das Problem, dass wenn die Schule zu Ende ist, wenn es in andere Richtungen geht, dass der Sport da auch drunter leidet.

SPORTSTUNDE: Wie gut geht es Waspo 98 Hannover im Umfeld von Hannover? Wir haben da Hannover 96 im Profi-Fußball. Wir haben natürlich auch mit Hannover Burgdorf aktuell ein Spitzenteam im Handball. Wir haben da zwei Eishockeyclubs, die ein bisschen sich rivalisieren, aber nicht ganz oben spielen. Wie fühlt ihr euch da so in Hannover?

KARSTEN SEEHAFER: Also medial sind wir gut vertreten. Was hier die Zeitung angeht, die Pressesituation, es wird viel berichtet, da ist natürlich der Fußball an allererster Stelle. Aber die Berichterstattung ist ordentlich. Ich hoffe, es bleibt so, so dass andere Mannschaften auch Platz und Raum haben. Und da sind wir dann nach 96 und nach den Recken ganz weit vorne. Wir sind dort regelmäßig vertreten, da fühlen wir uns von dieser Positionierung nicht so schlecht. Andere Städte in Deutschland haben dort größere Probleme. Aber wir sind auch erfolgreich, das muss man auch sagen. Aktuell jetzt und über Jahre schon. Wir haben uns immer weiterentwickelt. Ich glaube, Waspo 98 kennt man mittlerweile in Hannover. Man kennt die Akteure, man kennt den Verein, der ja nicht nur ein Wassersportverein ist. Wir haben Olympiateilnehmer mit dem Sven Schwarz in unseren Reihen im Schwimmen. Also von daher, wir fühlen uns ganz wohl in Hannover.

SPORTSTUNDE: Wie ist es finanziell in Zeiten, wo jeder Euro umgedreht wird? Wie ist es dann für eine Randsportart?

KARSTEN SEEHAFER: Problematisch in allen Situationen. Also wir können ja nicht einfach mal so an die frische Luft gehen. Das heißt, wir brauchen Wasserfläche. Wasserfläche ist einerseits durch den Stützpunkt gegeben, durch den Olympiastützpunkt. Wir werden dort entsprechend gefördert. Wir haben den größten Anteil an Nationalspielern im Augenblick. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist natürlich das Reisen kostet Geld, wenn man in Europa spielt. Fernsehübertragung oder Streaming kostet auch auf dem Niveau, wie es der Europäische Verband haben möchte, Geld. Das ist schon das größte Problem. Also über den einen oder anderen Sponsor würden wir nicht Nein sagen. Wir haben in unserer Sportart das Problem, das wir keine, wie im Fußball, die mediale Quote  haben oder dass es Fernsehgelder gibt. So etwas gibt es bei uns bei Weitem nicht.

SPORTSTUNDE: Wie siehst du sonst die Qualität des deutschen Wasserballs sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen?

KARSTEN SEEHAFER: Beide haben Probleme, den Anschluss zu halten an die Weltspitze. Wir sind in Europa, und da ist es so, dass wir gerade so zweistellige Ergebnisse haben. Ich glaube, dass mittelfristig oder kurzfristig bei der nächsten WM sowohl bei Männer als auch bei Frauen es gut täte, einen einstelligen Platz zu haben und hier am besten unter die ersten Acht zu kommen. Das ist nicht einfach, allerdings bei den Frauen vielleicht noch ein bisschen eleganter zu erreichen, weil die Leistungsdichte der Länder nicht so gegeben ist. Bei den Herren ist es sehr schwer. Da ist die Leistungsdichte da und die müssen sich ganz schön anstrengen, um ihre Position zu verteidigen.

SPORTSTUNDE: Das war früher besser. Warum ist das so gelaufen, wie es gelaufen ist?

KARSTEN SEEHAFER: Natürlich muss man sagen, früher gab es die Sowjetunion oder die UdSSR, heute gibt es noch Kasachstan und Georgien. Georgien ist nicht so schlecht im Wasserball. Man hat früher Jugoslawien gehabt, das ist heute Slowenien, Kroatien, Montenegro und Serbien, die ein extrem hohes Niveau haben oder weltführend sind, wenn man an Serbien denkt. Das ist erstmal das eine. Also es gibt mehr Länder.

Das andere ist schon so, dass uns in der Sportart die Jugendarbeit ein bisschen weggebrochen ist. Gerade in so Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, wo man früher, einen Dutzend Vereine hatte, hat man heute vielleicht die Hälfte. Entsprechend auch mit der Jugendarbeit. Und dann ist das auch eine gewisse soziale Anerkennung innerhalb der Medien, der medialen Landschaft. Uns täte gut, wenn wir uns als Sportart irgendwo auf irgendeinem Streamingkanal adäquat präsentieren könnten.

SPORTSTUNDE: Was kann man noch tun, um diese Sportart, diese traditionelle Sportart, wieder sexy zu machen, dass auch der Nachwuchs kommt? Was ist das Wichtigste? Nur das Mediale?

KARSTEN SEEHAFER: Ich glaube, dass das Mediale in der Tat ganz wichtig ist und dort auch mit einer Präsentationsart, die für Unterhaltung und für Show sorgen kann. Wir haben das am Pokal-Wochenende gesehen, bei der Pokalendrunde, wenn man das, was möglich ist, so ein bisschen nett aufbereitet vom Umfeld her. Wir haben 500 Zuschauer gehabt in der Schöneberger Schwimmhalle. Das ist für deutsche Schwimmhallen schon extrem gut. Berlin hat zwei Schwimmhallen, wo so viele Zuschauer überhaupt reingehen können. In den anderen Städten ist das weniger. Also das ist wichtig und von daher sind solche Finalspiele oder die Finals jetzt, die Playoffs, sind so das Salz in der Suppe. Und so eine Pokalrunde auch. Und da sollte man einfach sehen, dass man das gut vertreten kann nach außen.

SPORTSTUNDE: Du bist jahrelang mit Herzblut und Leidenschaft in dieser Sportart tätig. Mach doch mal einen flammenden Appell für diese faszinierende Sportart.

KARSTEN SEEHAFER: Es ist einfach ein gesundheitsfördernder Sport. Es ist eine gute Ergänzung zur Schule. Man hat soziale Kontakte. Es ist eine Kampfsportart. Von daher, man kann sich im Wasser gut bewegen. Man hat wenig Verletzungen in jungen wie in alten Jahren. Also von daher ist es auch so, dass es vom Ästhetischen her, das ist bei jungen Menschen auch nicht wichtig, gerade die Jungs auch ein breites Kreuz kriegen, dass Frauen auch entsprechend dynamisch aussehen. Von daher, eigentlich alles gut.

SPORTSTUNDE: Du hast nach vielen Jahren deinen Trainerposten bei Waspo 98 Hannover abgegeben. Warum?

KARSTEN SEEHAFER: Alles hat seine Zeit. Ich bin so groß geworden, hinterlasse nie ein verbranntes Feld. Von daher ist es auch nicht einfach, eine Mannschaft einerseits aufzubauen, ein Niveau zu halten. Aber eine Übergabe ist auch immer ein kritischer Zeitpunkt. Und wir haben uns das gut überlegt. Das ist auch vielleicht nicht der erste Anlauf gewesen. Ich hatte jahrelang einen exzellenten zweiten Mann neben mir, mit dem Predrag Jokic, ein ehemaliger Weltklassespieler. Aber am Ende hat es sich herauskristallisiert, dass mit dem Team, das wir jetzt haben, mit dem Alexander Radovic und dem Lukas Sikulic, es einfach besser matcht. Und da haben wir im Augenblick vieles gut gemacht. Und ich hoffe einfach auf Kontinuität für die Zukunft.

SPORTSTUNDE: Trotzdem stehst du noch am Beckenrand, jetzt bei der Nationalmannschaft bei den Frauen. Wie schimpfst du dich da jetzt beim DSV?

KARSTEN SEEHAFER: Teamchef, ich glaube es ist Teamchef. Ich habe einfach gesehen bei der letzten Europameisterschaft in Eindhoven, dass dort ein bisschen Potenzial da ist und dann habe ich andersherum gesehen, dass der DSV dort von der Trainerseite, was die Quantität angeht, erstmal nicht so gut bestückt ist, wie die Jugendnationalmannschaften und die Frauennationalmannschaft damals. Das lag in einer Person bei Sven Schulz. Und ich habe einfach meine Unterstützung angeboten. Da haben wir uns dann darauf geeinigt, dass ich dort das, ich sage mal, ein bisschen umgangssprachlich, das Frontschwein bei den Frauen bin. Und die Jugend und die ganze weitere Administration, das organisatorische, weiter beim DSV und beim Sven Schulz ist.

Und von daher versuche ich dort zu helfen. Und ja, das ist der Weg. Es kommt als nächstes die EM-Qualifikation über Pfingsten. Dann nächstes Jahr die Europameisterschaft. Und dann muss man mal gucken, dass man sich so in andere Bereiche entwickelt, wie anfangs gesagt. Also so ein einstelliger Tabellenplatz. Und die Möglichkeit, und das ist das etwas, was man immer sehen sollte für einen Sportler, die nächsten olympischen Spiele sind in Los Angeles, und da darf jeder Sportler davon träumen.

SPORTSTUNDE: Weil du ja die Männer trainiert hast und jetzt die Frauen trainierst, was ist da der größte Unterschied, auch für dich, die größte Herausforderung?

Ist es komplett anders?

KARSTEN SEEHAFER: Jeder hat ja seine Stärken und seine Schwächen. Meine große Schwäche ist, ich kann mir Namen schlecht merken. Das hat den großen Vorteil, dass ich bisher nie den Fehler gemacht habe bei meiner Frau und bei meinen Töchtern. Die habe ich, glaube ich, einmal verwechselt in 20 Jahren jetzt. Also das ist erstmal grundsätzlich was, wo sich auch Frauen dran gewöhnen müssen. Und dann ist es so, im Männersport oder im Teamsport allgemein, gerade bei den Männern, glaube, ist der Umgangston ein anderer. Und da passe ich schon sehr auf bei den Frauen, dass man dort sich nicht vertritt. Ich hoffe, es gelingt mir. In Emotionen ist es dann immer ein bisschen anders. Bisher, glaube ich, lief das alles gut. Aber der Umgangston ist in Männermannschaften anders als in Frauenmannschaften.

SPORTSTUNDE: Und sportlich gesehen, wo ist da der große Unterschied? Geht bei den Männern mehr über Kraft und dann über Technik?

KARSTEN SEEHAFER: Ja, das ist tatsächlich so, gerade im Augenblick. Ich glaube, dass der Frauensport auch dynamischer wird und man besser trainiert sein muss. Aber die Männer sind in dem Bereich weiter. Von daher, wenn man nicht schwimmen kann, wenn man nicht fit ist, dann ist das egal, ob Mann oder Frau, dann funktioniert das nicht. Aber der kraftbezogene Wasserball ist im Männersport eher vorhanden und ich glaube, dass man mit Taktik, Technik bei den Frauen noch mehr erreichen kann. Wenn man eine Grundbasis an Fitness hat, dann kann das sogar dort mehr Spaß machen, als wenn bei den Männern immer brachiale Gewalt aufeinandertrifft. Das mag auch interessant sein und ist sicherlich auch attraktiv, aber Technik und Taktik ist bei Frauen im Vordergrund.

SPORTSTUNDE: Wir haben eben über Finanzen gesprochen. Es gibt zurzeit eine große Diskussion über die Wertschätzung des Sports in Deutschland und auch über die Frage, brauchen wir eigentlich einen Sportminister? Wie ist da so deine Meinung?

KARSTEN SEEHAFER: Ich finde die Akzeptanz des Sports in Deutschland oder auch gerade des Leistungssports in Deutschland ganz, ganz schlimm. Also selbst zu aktiven Zeiten oder zur Jahrtausendwende, da hat ein Fecht-Olympiasieger in Italien 100.000 Euro bekommen. Und ich sage mal, was kostet es dem deutschen Staat, wenn man einem Olympiasieger zumindest eine Stelle im öffentlichen Dienst anbietet? Ich glaube, dass sogar der Staat davon profitieren kann. Leistungssportler oder erfolgreiche Sportler, die haben oft zum Arbeiten auch eine andere Einstellung. Also ich glaube, dass wir dort einen großen Nachholbedarf haben und da bin ich schon sehr enttäuscht, denn es wird dominiert über Fernsehgelder und Gelder im Fußball und das Verhältnis zu anderen Sportarten, das ist nicht mehr gegeben. Und da, finde ich, hat der Staat eine Aufgabe, die er nicht wahrnimmt.

SPORTSTUNDE: Glaubst du denn, wenn man einen Sportminister installieren würde, würde sich das ändern?

KARSTEN SEEHAFER: Ich glaube, Fakten sind das Entscheidende. Ich muss gar nicht einen Sportminister haben. Wir investieren oft viel in Sportstätten, in Beton, aber am Ende bleibt wenig bei den Aktiven übrig. Das ist egal, ob Schwimmen, ob Leichtathletik. Der Staat hat attraktive Stellen im Bereich der Polizei und der Bundeswehr, solange man aktiv dabei ist. Aber danach, was dann berufliche Entwicklung angeht oder auch Entlohnung für Erfolg, das ist im Vergleich zu anderen Ländern nicht nachzuvollziehen.

SPORTSTUNDE: Was glaubst du, wo steht der deutsche Wasserball bei Frauen und Männer in fünf bis zehn Jahren?

KARSTEN SEEHAFER: Ich hoffe, dass man in Europa den Anschluss bekommt und dass man bei ein oder zwei Weltmeisterschaften dabei ist. Bei der nächsten Weltmeisterschaft sind beide Mannschaften nicht dabei. Das ist jetzt dieses Jahr in Singapur. Aber die WM danach, da sollte es das Ziel sein für sowohl Männer als auch Frauen teilzunehmen. Und das ist dann die Möglichkeit, sich für die Olympischen Spiele in L.A. zu qualifizieren.

Und ich würde mich sehr freuen, wenn es zumindest eine Mannschaft von beiden schaffen könnte. Und da ich im Augenblick die Frauen mit betreue, freue ich mich für die Frauen ein bisschen mehr als für die Männer.

SPORTSTUNDE: Ist das für dich auch dann zum Schluss auch ein bisschen dein persönlicher Traum?

KARSTEN SEEHAFER: Ja klar, für jeden, der Sport macht. Es ist das Größte, egal ob als Funktionär oder als Sportler, die Olympischen Spiele sind die Spitze und deshalb jeder der davon nicht träumt, der sollte im Leistungssport nichts zu suchen haben.

SPORTSTUNDE: Dann wünschen wir, dass dein Traum auch in Erfüllung geht und dann treffen wir uns mal irgendwo auf eine Berliner Weise…

KARSTEN SEEHAFER: Ja, wunderbar…Vielen Dank!

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